Huntington und Autofahren

Chorea Huntington, eine Nervenkrankheit (auch schon mal Corea Huntington). Für Betroffene und Angehörige

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Dr.Lange
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Huntington und Autofahren

Beitrag: # 30668Beitrag Dr.Lange »

Kranke sollten keine Kinder mehr im Auto transportieren! Wenn es da zu einer Fehlreaktion kommt - nicht auszudenken. Und dann besteht womöglich kein Versicherungsschutz mehr (§§ 2 und 11 der FeV), wenn sie überhaupt noch Auto fahren. Im Falle eines Unfalles werden die Anwälte der Versicherung alles daran setzen, einem/r nervenkranken Fahrer/in eine Mitschuld anzuhängen, wenn er/sie gegen ärztlichen Rat ein Kfz geführt hat.
Im Zweifelsfall mit einem Fahrlehrer eine Testrunde fahren und sich von dem Fahrlehrer schriftlich bescheinigen lassen, dass keine Bedenken gegen das Führen von Kfz vorliegen.


Dr.Lange
Dr.Lange
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Fahreignung

Beitrag: # 30679Beitrag Dr.Lange »

Es gibt Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung, die kann man vielleicht im www finden, aber da steht nichts zur HK drin.
Bei Huntington-Kranken sollte durch einen geeigneten Fahrlehrer die Kraftfahrereignung zum gegeben Zeitpunkt überprüft werden. Der Zeitpunkt ist spätestens dann gekommen, wenn Angehörige oder Nachbarn Bedenken haben.
Den meisten Huntington-Kranken fehlt die Einsicht diesbezüglich - oft leider auch in anderen Bereichen.
Dr.Lange
Udo
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Beitrag: # 30687Beitrag Udo »

Ich war selber Beifahrer von einer an Ch erkrankten Person, und es war so, das die Person schon die Situation im Verkehr wahrgenommen hat, und auch richtig darauf reagiert hat, aber die ganze Fahrweise war sehr impulsiv, zeitweise zu schnell, Innerstädtisch mit 60, und recht hektisch. Die Person hatte z.B. einen Autofahrer vor sich, der Ihr zu langsam fuhr, und es war schon ein gewisse Unruhe zu spüren. "Der kann doch nicht fahren" , mit Überholversuchen in der Stadt. Insgesamt war ich froh, das dies die einzige Fahrt war, und später wurde der Person auch unter diversen Gründen , "Der Wagen muss dringend in Reperatur" entwendet, und danach war er eben kaputt. Ist nicht ganz die feine Art, aber ehe noch etwas passiert wäre.
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Aley

Beitrag: # 30690Beitrag Aley »

Impulsives Fahren ist doch normal und auch das Aufregen - wir sind alle in Stress und wenn dann die Städte auch immer alles in Baustellen setzen müssen, grr. Ich habe genügend Beispiele, die Wut bei mir selbst, die 10 km/h schneller Standard in der ganzen Stadt.
Bei meiner Mutter war es so, dass sie beim Einparken ständig falsch einschätzte. Und so gingen der Außenspiegel flöten, es wurden Kratzer gezogen, etc. etc.
Das hat dann meinen Vater dazu bewogen, ihr das Autofahren zu verbieten. Da lief sie übrigens auch schon "geknickt".
Da sich meine Eltern getrennt haben, ging das Auto einfach in meinen Vaters Besitz über (aber er hatte es vorher eh schon geschenkt bekommen und bekam bei jedem neuen Kratzer einen Drang zum Weinen).

Liebste Grüße
Aley
Udo
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Beitrag: # 30691Beitrag Udo »

Hallo Aley,
Sicher ist man/Frau auch schon mal gestresst. Oder auch unsicher, wenn man schlecht geschlafen hat. Ich bin auch schon mal etwas schneller gefahren als erlaubt, oder habe über den Scheintoten vor mir gewettert, der mit 40 Km durch die gegend gondelt. Aber ich kann dies auch sofort wieder stoppen. Einen Strafzettel habe ich auch schon gehabt, eben weil ich anstatt 50 km 63 gefahren bin. Das ist bis jetzt aber auch mein einziger. Hoffe ich.

Aber bei der Person, die ich meinte, war dies ununterbrochen, und sie fuhr auch wirklich hektisch, obwohl gar keine hektik da war und relativ wenig Verkehr. Sie lenkte recht ruppig, und bremste auch recht ruppig.
Diese Fahrweise hatte sie früher nicht, und es waren definitiv Auswirkungen der CH. Es ist leider so, das die CH irgendwann auch die Koordination und Stressfähigkeit beim Autofahren beeinflußt.
Aber ich kann Dir sagen, das die betreffende Person letztendlich gar nicht so traurig darüber war, kein Auto mehr zu fahren.

Gruß, Udo
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vada
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Beitrag: # 30716Beitrag vada »

pumproom, danke dass du es mir erklärt hast.
Dr.Lange
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Kfz-Fahreignung

Beitrag: # 30723Beitrag Dr.Lange »

Nur ein Neurologe mit der Zusatzqualifikation Verkehrsmedizin kann die Kfz-Fahreignung beurteilen - und der wird sich auf jeden Fall per Fahrprobe überzeugen, wie das tatsächliche Fahrverhalten ist. Je nach Zustand des Kranken wird man das Intervall zur NU festlegen.
Dr.Lange
Michaela
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Beitrag: # 34264Beitrag Michaela »

Hallo zusammen!

Zum Thema Führerschein und Auto fahren gibt es seit kurzem ein Infoblatt der Deutschen Huntington-Hilfe, siehe http://www.metatag.de/webs/dhh/index.ph ... sbl%E4tter

Rückmeldungen dazu sind herzlich willkommen!

Viele Grüße & schönes 3. Adventwochenende
Michaela
Udo
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Beitrag: # 34271Beitrag Udo »

Danke für den wichtigen Link, und auch einen schönen 3. Advent.

Gruß, Udo
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Sissi91
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Re: Huntington und Autofahren

Beitrag: # 39236Beitrag Sissi91 »

Hallo ihr,
bei meiner an CH- erkrankten Mutter sah das Autofahren zum Schluss ganz ähnlich aus. Sehr gestresste, ruppige Bewegungen. Leider fehlte ihr bis zum Schluss die Fähigkeit, ihr Defizit einzusehen. Ich redete mir jahrelang den Mund fusselig darüber, dass sie das Auto stehen lassen sollte. Soviel Sorgen, soviel Streit. Niemand fuhr mehr bei ihr mit. Aber sie war überzeugt, es noch zu können. Irgendwann -ich ließ ja nicht locker- kam dann keine Gegenrede mehr, dass alles Nonsens sei und sie sich sicher fühle, sondern Bemerkungen wie "aber ich brauche das Auto doch, um von A nach B zu kommen...". Die Nutzung von Bus, Taxi, die Angebote von Freunden und mir, sie zu fahren, änderte alles nichts.
2018 schlug ich ihr also einen Deal vor:
Es gibt die Möglichkeit, sich beim TÜV Nord einem Seniorentest zu unterziehen. Sind praktisch die MPU- Aufgaben, aber anonym. Ich sagte ihr, ich würde sie mit dem ganzen Thema in Ruhe lassen, wenn sie dort gesagt bekommt, dass sie noch fahren darf. Im Gegenzug lässt sie das Auto stehen, sollte sie gesagt bekommen, dass es nicht mehr geht.
Das Ergebnis war erschreckend, auch für mich. Im Gespräch mit einem Verkehrspsychologen wurde sie darum gebeten, "das Auto bitte bitte umgehend stehen zu lassen und sich selbst und andere so zu schützen". Er sagte, er könne sich nicht dran erinnern, wann und ob er schonmal so erschreckende Werte gesehen hat.
Überraschung: Das Auto blieb trotzdem nicht stehen.
Letztendlich entschied ich mich, sie selbst beim Straßenverkehrsamt zu melden. Ich machte dies anonym, sagte ihr aber, dass ich es getan habe. Als nach einem halben Jahr noch nichts zurückkam, rief ich dort an (auch anonym!) und fragte nach dem Bearbeitungststand. Die Dame brach bedenkenlos ihre Schweigepflicht und erzählte mir, sie müsste mal einen Brief losschicken, der Hausarzt müsse dann bestätigen oder eben nicht, dass eine entsprechende Krankheit vorliegt. Danach müsste eine MPU angeordnet werden. Als es dann soweit war, war es für meine Mutter keine Frage, dass sie diese nicht machen würde, weil sie sie sowieso nicht bestehen würde (Siehe TÜV- Seniorentest 2018). Sie gab ihren Führerschein einfach fristgerecht ab.
Das war Ende 2019, also ein komplettes Jahr, nachdem ich sie gemeldet hatte! Ich bin immer noch fassungslos, wie verantwortungslos hier seitens der Behörde gehandelt wurde.
Ein paar Tage später kam ich vorbei, um Auto gemeinsam mit ihr sauber zu machen und abzuholen - als Art Abschied. am Ende stand ich vor der Tür und versuchte, an einem völligst kaputten und verdreckten Auto zu schrubben, um zu retten was noch zu retten war, und sie saß drinnen und rauchte ihre Zigaretten.
Seitdem kam nie eine Rückfrage, was aus dem Auto geworden ist..
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