ich bin traurig

Chorea Huntington, eine Nervenkrankheit (auch schon mal Corea Huntington). Für Betroffene und Angehörige

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inschepup
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ich bin traurig

Beitrag: # 19339Beitrag inschepup »

Hallo! Wie ja viele von Euch wissen , hat mein Mann CH. Die Krankheit ist bei ihm sehr weit fortgeschritten. Er wird per PEG Sonde ernährt, ist inkontinent und er hat eine beginnende Muskelversteifung . Außerdem verschleimt er jetzt öfters, d.h. ich werde wohl demnächst bei ihm auch absaugen müssen. Um es mal ganz drastisch auszudrücken: Man kann sagen das seine Zeit hier bei uns nur noch sehr begrenzt ist. :( Das ist für mich schon hart genug. Aber heute habe ich dann mal wieder einen riesigen schlag in die Magengrube bekommen. Seine Schwester(Halbschwester) ist seit Donnerstag aus Bayern zu Besuch in Hamburg. Am Samstag war sie bei uns . Eigentlich wollte sie nochmal kommen. Aber keine Zeit. Alle möglichen Freunde und Bekannte müssen besucht werden. Sie haben ja alle noch nicht ihre Hochzeitsbilder gesehen. Ich kann verstehen , das sie die Zeit auch mit ihren Freunden verbringen will. Aber die leben auch nächstes Jahr noch. Ihr Bruder vielleicht nicht. Und das macht mich traurig und wütend. Ich könnte nur noch heulen. Auf der einen Seite werden Vorschläge gemacht , wie ich ihm das Leben noch angenehmer machen könnte . Ob sinnvoll oder nicht.Aber mal ein wenig Zeit mit dem Bruder zu verbringen ist nicht drin. Oder seh ich das alles zu verbissen? LG inschepup


Justine
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Beitrag: # 19340Beitrag Justine »

Hallo Inschepup,
Ich kann deine Gefühle aus tiefstem Herzen nachempfinden.
Sehr oft ist für mich nicht die Krankeit meines Mannes und sein Zustand das Schlimmste oder läßt mich weinen, sondern das Verhalten bzw. die Ignoranz unserer sogenannten Familie und der "tollen"Freunde.
Ich bin so oft wütend und traurig und kann nicht verstehen, wie sie ihn im Stich lassen.
Ich versteh absolut nicht warum sie nicht sehen &fühlen können wieviel zu geben mein Mann hat & wieviel Freude er hat, wenn er mit einbezogen wird und wir was unternehmen, wieviel ihm Nähe bedeutet. Es heißt dann nur, "Och, ich versteh ihn ja doch nicht" oder"ich seh ja gar nicht, dass es ihn freut, dass ich da war, es kommt ja keine Reaktion" und und und!
Ich könnte schon ein Buch schreiben mit allen Ausreden, die ich in den letzten Jahren gehört habe.
Die ehrlichste Antwort ist mir dann lieber: "Ich kann mit einem kranken Menschen nicht umgehen und will nicht damit konfrontiert werden".

Ich wünsche mir, dass diese Menschen, die so oberflächlich sind irgendwann selbst fühlen können, wie es ist allein gelassen zu werden.

Das Schicksal, was unsere Lieben durchleben müssen ist schon schlimm genug, doch im Stich gelassen zu werden ist noch viel schlimmer.

Du wirst es aber nicht ändern können. Ich weiß das auch, aber ich habe bis heute nicht akzeptieren können, dass man sich als Freund oder Familienmitglied so verhalten kann. Meinem Mann zuliebe hab ich bis jetzt mit niemanden gebrochen, weil ich immer noch ein wenig Hoffnung habe, dass der eine oder andere sich vielleicht ändert oder mit der Situation besser auseinander setzt,mal öfter kümmert, für ihn da ist, doch ich werde ihnen ihr Verhalten mein ganzes Leben nicht verzeihen! Ich behalte dieses Gefühl in mir.

Sei nicht traurig bitte. Diese Menschen sind es nicht wert.

liebe Grüße
Justine
inschepup
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Beitrag: # 19341Beitrag inschepup »

Justine hat geschrieben:
Das Schicksal, was unsere Lieben durchleben müssen ist schon schlimm genug, doch im Stich gelassen zu werden ist noch viel schlimmer.
Hallo Justine! Genau das ist es. Ich denk auch immer das er ihnen einfach egal ist. Was ich überhaupt nicht verstehen kann. Selbst wenn er nur im Bett liegt oder auf der Liege im Garten, er bekommt noch soviel mit und freut sich wenn er "Besuch" bekommt. Meine Freundin war letztens bei uns. Als sie ihn begrüßt hat wurde er ganz aufgeregt und fragte nach Sara ( das ist ihre 4jährige Tochter). Ich hab das zumindest so verstanden, aber meine Freundin auch. Auf die Antwort das sie bei ihrem Opa ist kam dann "gut". Also soll mir keiner erzählen das er nichts mehr mitbekommt. :evil: LG inschepup
Inge
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Beitrag: # 19345Beitrag Inge »

Liebe inschepup, liebe Justine. Als ich Eure Beiträge gelesen hab, mußte ich gleich wieder weinen. Naja, all das kennt man ja. Egal welche Krankheit es ist, Leute, die persönlich Glück in jeder Lebenslage hatten (nur der liebe Gott weiß, obs für immer ist!!) wollen einfach mit den schlimmen Dingen des Lebens nicht konfrontiert werden. Man muß es leider so hinnehmen, man kann sie nur meiden. Ich mach es jetzt schon länger so, klingt vielleicht abgebrüht, aber da leb ich ruhiger! Die Schwester Deines Mannes, liebe inschepup... naja, mehr sag ich nicht. In meiner Familie läßt sich erst keiner sehen, außer meine Schwestern, aber alle anderen sind plötzlich weg.... Seid nicht so traurig, jeder Gedanke an diese Menschen ist sinnlos. Ich weiß, ich klinge verbittert. Machts gut.
auch mal an sich denken... und doch stark bleiben
Udo
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Beitrag: # 19346Beitrag Udo »

Es ist traurig und manchmal auch zum wütend machen, aber ich habe auch erlebt, das manche Menschen eben überhaupt nicht mit der CH klarkommen, was ich z.T. auch verstehen kann, und Kaja anstarren wie einen Geist, wenn ich mit Ihr zum Auto schwanke. Ich schaue mir das immer an, wie manche so gucken, wir haben aber auch eine Nachbarin, die Krankenschwester ist, die kommt damit ganz gut klar. Bei uns sind oft auch kleine Kinder, die mich interessanterweise oft fragen, was Kaja den hat. Ob Sie nicht mehr gehen kann, oder ob Sie nicht mehr sprechen kann, sie sind neugierig und wollen alles wissen. Die Erwachsenen gucken meistens nur.

Udo
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mellie
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Beitrag: # 19360Beitrag mellie »

Ihr lieben. Ich erlebe das bei meinen schwiegereltern auch . Die einzige bekannte die es noch gibt kommt nicht mal mehr nach oben in die wohnung wenn sie was abgeben will meine schwiegermutter muss immer runter wenn die klingelt. Ich denke die haben angst das sie sich falschverhalten denen gegenüber.oder das sie die veränderung nicht verpacken. so wurde es mir von der besagten bekannten gesagt. ich finde es quatsch. ich habe gesagt sie habe angst vor der begegnung mit meinem schwiegervater -ja war die antwort er wäre ja nicht mehr wie früher.
Doofes argument. Spätestens wenn sie selbst in so einer situation stecken werden sie es merken. Kopf hoch . konfrontiert die leute damit sprecht sie auf ihr verhalten mal an und lasst sie sich mal ind ei rolle versetzen. Das hat bei uns geholfen.
Kalle
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ich bin traurig

Beitrag: # 19375Beitrag Kalle »

Hallo zusammen,

eigentlichgibt es zu dem Thema kaum noch was hinzuzusetzen. Ihr habt genau die richtigen Worte erfasst. Huntington- Kranke leben sehr einsam.
Alle die vorher einen gr0ßen Freundeskreis hatten stellen eines Tages fest,dass keiner mehr Zeit hat. In der eigenen Familie ist es meißt noch viel schlimmer. Viele können den Anblick ihres nahen Angehörigen nicht verkraften. Andere Denken, der versteht doch eh nichts mehr. Das ist alles blödsinn. Der Betroffene kann alles gut verstehen was um ihn herum geschieht und verstehen was andere Sagen. Er kann nur nicht mehr Antworten oder er wird nicht mehr verstanden. In den Selbshilfe-Gruppenhaben wir sehr oft dieses Thema. Wir versuchen das möglichst viele Betroffene mit Ihren Angehörigen in die Gruppentreffen kommen. Es ist für viele der einzige Moment um sich mit anderen Mensche zu unterhalten. In meinen Hausbesuchen stelle ich das auch immer wieder fest, dass dieser Besuch der einzigste Moment ist sich mit anderen zu unterhalten. Deshalb finde ich dieses Forum für so wichtig.
Deshalb schreibt und versucht Treffen zu organisieren. Wir brauchen das alle.

Viele Grüße
Kalle :P :P
Udo
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Beitrag: # 19377Beitrag Udo »

Hallo,

Ein Treffen zu organisieren ist gar nicht so einfach, da alle weit verstreut leben und die meisten wohl so beschäftigt sind, ich eingeschloßen, das man kaum irgendwie Zeit hat , etwas zu machen. Ist eigentlich ein Teufelskreis.
Es ist aber auch etwas seltsam, das es gerade bei der Ch Symptomatik sehr schwer ist, Zeit und Kraft zu haben, etwas zu organisieren. Ich bin meistens froh, wenn ich mal nichts zu erledigen habe.
Zu den Problemen mit den Angehörigen kann ich nur bestätigen, das viele Betroffene leider kaum Besuch bekommen oder sich einer von den Angehörigen mal um Sie kümmert. Kaja ist da eine der wenigen Ausnahmen hier in Itzehoe, vermute ich fast. Sie hat aber auch das Glück, das ich quasy direkt um die Ecke wohne, manche Angehörige kommen auch von sehr weit her, da ist es verständlich, das Sie nicht jeden Tag da sein können.
Ich merke aber auch, das meine Besuche bei Kaja auch für die anderen betroffenen , auch wenn es keiner so sagt, wohl ganz gut sind. Ich bin so ein bißchen eine Tür zur Welt, rede mal mit diesem und jenem, aber auch mit Patienten ohne Huntington und bringe dadurch wohl auch immer etwas Abwechslung herbei.

Ich muss mich auch nochmals bei Kalle bedanken, das er sich mit seinem Erfahrungsschatz so hier einbringt und seine persönliche Hilfe anbietet.

Gruß Udo
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inschepup
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Beitrag: # 19378Beitrag inschepup »

Hallo ! Ihr werdet es nicht glauben! Uwe´s Schwester hat es doch tatsächlich geschafft ihn nochmal zu besuchen. Ironie an :Mein Dank wird ihr ewig nachschleichen : Ironie aus.
Das gute an der Sache war: Uwe hat sie kaum beachtet. Eine Freundin von mir kam auch an dem Tag. Die hat er beachtet. :lol: Ich glaube das ihr das ganz schön zu schaffen macht. Selber schuld! Für mich ist das Thema durch, ich reg mich darüber nicht mehr auf ( versuche es zumindest)
Habe jetzt ein Psychotherapeutin , mal sehen ob die mich wieder in normale Bahnen bekommt. LAut Arzt habe ich Depris und Burnoutsyndrom. Kein Wunder. Guts Nächtle inschepup
Udo
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Beitrag: # 19380Beitrag Udo »

Hi, inschepup,
Ich weiss, das auch Du dich sehr viel um deinen Mann kümmerst :wink:

Ich denke, da kann Uwe froh sein. Aber pass trotzdem auf Dich auf, das es nicht zu viel wird.

Gut Nächtle :D

Udo
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rio
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Beitrag: # 19382Beitrag rio »

Tja, bei aller Pflege und Aufopferung - zuerst sollte man an sich denken, nicht aus Eigennutz, sondern damit man nicht zusammenklappt. Damit ist keinem geholfen.

Was die Treffen angeht. So ein Forum ist ja quasi weltweit verfügbar und von daher kommen die Nutzer auch von überall her, da ist die Chance, daß mal jemand näher zusammenwohnt und es dann auch noch weiß - ist ja zuerst einmal alles anonym - doch eher gering.

Aber genau dafür gibt es den Bereich Forentreffen. Dort könnte man sich austauschen, um vielleicht doch den einen oder anderen persönlich kennenzulernen. Aus Sicherheitsgründen ist der Bereich nur für Mitglieder einsehbar und lesbar nur für Mitglieder der Gruppe "Forentreffen".
Kalle
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traurig

Beitrag: # 19388Beitrag Kalle »

Hallo Zusammen,

da habt ihr schon recht. Es ist schon nicht so einfach, da alle soweit vertstreut sind. Aber das Forentreffen finde ich auch ok. Das ist eine gute Sache. Das solllten wir mal weiter Diskutieren.
Übrigens am 18.09.2008 bin ich in Leipzig. Wenn jemand interesse hat.
0172/4496391.

Gruß Kalle
wergi
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Beitrag: # 19410Beitrag wergi »

Hallo all,

Manu und ich kommen aus Oberhausen (Ruhrgebiet)
und würden uns über ein Treffen mit gleichgesinten freuen.

Wer wohnt denn hier im Pott und hat interesse?


Rainer
inschepup
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Beitrag: # 19486Beitrag inschepup »

@ all
Jetzt bin ich nicht nur traurig, sondern total fertig. Gestern meinte mein Mann ich soll ihm helfen, er kann nicht mehr und er will endlich sterben. Ich habe immer gedacht das er seinen Zustand gar nicht so schlimm wahrnimmt wie er eigentlich ist. Aber da hat Kalle mich eines besseren belehrt. Erstmal einen lieben Dank an Kalle der sofort telefonisch erreichbar war.
Kalle
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traurig ??

Beitrag: # 19504Beitrag Kalle »

Hallo zusammen,

erst einmal habe ich mich über den Anruf von Inschepup gefreut.
Ich möchte hier nochmal auf die Frage zurückkommen, was eigentlich unsere Erkrankten selbst im hohen Status Ihrer Krankheit, an sich selbst erleben.
1. Jegliche Veränderung an sich selbst, das nachlassen Ihrer eigenen Fähigkeiten werden wahrgenommen.
2. In vielen Fällen ist zu beobachten, dass das Empfinden auf Schmerz oder Kalt und Heiß falsch eigeschätzt wird. (Hohe Vorsicht für den Betroffenen duch die Angehörigen oder Betreuer).
3. Das Gedächtnis empfindet sehr unterschiedlich. Personen die lange nicht gesehen wurden werden wiedererkannt. Versprechungen, die noch nicht eingelöst sind werden auch lange Zeit später eingefordert.
4. Das empfinden nicht mehr zu können, keine Kraft mehr zu haben, nur noch eine Last zu sein ist real. Das ist auch ernst zu nehmen, wenn der Kranke sagt, er will nicht mehr Leben. Schwer für uns das zu erleben.
Unser Problem, wie begleiten wir das. Tötung auf verlangen, kommt für uns nicht in Frage. Zusehen zu müssen wie der geliebt Mensch leidet ist ein selische Quaal. Sprechen wir mit dem Behandelnen Arzt, was bei akuten Gefahren situationen noch zu tun ist. Den Rest können wir uns nur selbst stärken. Da kann uns keiner helfen.
So für Heute erst einmal genug. Ich muß jetzt zum Dient.

Bis bald
Kalle :P :P
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