Die Zeit steht nicht still...

Chorea Huntington, eine Nervenkrankheit (auch schon mal Corea Huntington). Für Betroffene und Angehörige

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Isi
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Die Zeit steht nicht still...

Beitrag: # 25446Beitrag Isi »

Hallo ihr Lieben,

ich habe mich jetzt sehr lange nicht mehr gemeldet. War vor schätzungsweise 2-3 Jahren das letzte Mal wirklich aktiv. Ich bin jetzt 21, lebe zusammen mit meinem Freund in Nürnberg und studiere. Im Großen und Ganzen geht es mir also ziemlich gut. In den letzten Wochen und Monaten beschäftigt mich die Krankheit Chorea Huntington jedoch wieder verstärkt. Das hat zwei Gründe: zum einen merke ich selber dass die Zeit immer schneller vergeht, je älter man wird und angesichts der Tatsache dass ich nun (schon) knapp über 20 bin, wächst die Angst in mir vielleicht nur noch 15-20 gesunde Jahre verbingen zu können. Der zweite Grund ist meine Mutter. Ich kann nicht genau sagen, wann sie erkrankt ist aber schätzungsweise liegen die ersten Symptome bereits 8-9 Jahre zurück (sie ist jetzt 46). Das Problem bzgl meiner Mutter ist, dass sie alles absolut versucht zu verdrängen und einfach nicht einsehen will, dass sie krank ist, obwohl sie den Leidensweg bereits bei ihrer eigenen Mutter beobachten konnte. Sie ist bis heute bei keinem Arzt gewesen, demnach ist auch die Diagnose nie gestellt worden. Dass sie CH hat, ist allerdings offensichtlich (für mich, so wie auch für eine meine Tante, die mich derzeit unterstützt). Ich muss dazu sagen, dass meine Mutter 2 Schwestern hat.. die eine ist auch vor ca. 3 Jahren erkrankt und steht bereits unter gesetzlicher Betreuung und die andere, von der ich gerade gesprochen hat, hat glücklicherweise ein negatives Testergebnis erhalten.

Ich habe schon sehr häufig versucht mit meiner Mutter zu reden und ihr klarzumachen, dass sie endlich was tun muss, aber das ist immer eskaliert. Sie beschimpft mich dann aufs Äußerste, immer mit dem Hinweis es gehe ihr gut.... Da ich jetzt seit 2,5 Jahren nicht mehr zuhause lebe und meine Mutter auch nicht alle paar Tage besuchen gehen kann, wächst in mir die Angst es könne ihr was zustoßen, ohne dass ich davon Wind bekomme... und so war's nun auch. Ich habe vor einer Woche durch Zufall von einer Nachbarin meiner Mutter erfahren, dass diese kurze Zeit vorher von ihrem Heimtrainer (ja, da setzt sie sich tatsächlich noch drauf.. obwohl sie eh schon ziemlich abgemagert ist) gestürzt ist, sich mit ihrer Hose in den Pedalen festgehängt hat und nicht mehr davon los gekommen ist. Als sie daraufhin um Hilfe gerufen hat, hat eine der Nachbarn die Polizei informiert, die ihr sodann geholfen haben. Denen ist der schlechte und verwirrte Zustand meiner Mutter natürlich aufgefallen, woraufhin die dann den sozialpsychiatrichen Dienst des Gesundheitsamtes informiert hav´ben. Von dem hat sie wohl dann auch ein Schreiben mit Bitte um ein Gespräch erhalten, was sie - wie nicht anders zu erwarten war - nicht wahrgenommen hat. Es war sogar schon ein Beamter zusammen mit einem Arzt bei ihr vor der Tür gestanden, aber sie öffnete nicht. Dazu kommt dann noch, dass auch die Vermieter meiner Mutter mit mir Kontakt aufgenommen haben (war auch ein glücklicher Zufall, da sie gerade dort angerufen haben, als ich sie besucht habe und ich somit ans Telefon gehen konnte...) und mich darauf hinwiesen, dass sie von dem schlechten Zustand der Wohnung wüssten (meine Mutter kommt mittlerweile eben nicht mehr wirklich alleine mit dem Haushalt klar) und es außerdem laufend Beschwerden von den Nachbarn gebe, weil sie den Fernseher immer extrem laut laufen liese.. was ich auch bestätigen kann. Kurzum haben mittlerweile sogar sie mitbekommen, dass der Zustand so nicht mehr haltbar ist und meine Mutter dort nicht mehr alleine bleiben kann....
Ich hab dann natürlich erneut versucht mir ihr zu reden, allerdings bekam ich da auch lediglich Sätze wie "Ich bin nicht krank, ich habe kein CH... ich hasse dich... ich will dich nicht mehr wiedersehen.. " etc. zu hören.
Nach Telefonaten mit dem zuständigen Polizeibeamten (den ich zufälligerweise auch noch persönlich aus meiner Schulzeit kannte ;-)), einem Besuch beim Allgemeinen Sozialdienst, Gesprächen mit dem Sozialpsychiatrichen Dienst und einem von mir verfassten Brief ans Vormundschaftsgericht (und das alles innerhalb von wenigen Tagen), sieht das Ganze nun so aus:
Ich hatte zunächst, nachdem ich noch nicht wusste, wie rasch das Gericht auf mein Schreiben reagieren würde, mit der zuständigen Person beim Sozialpsych. Dienst gesprochen, und mit dem einen Termin für Mitte Januar vereinbart, an dem er, eine Ärztin und ich gemeinsam zu meiner Mutter fahren wollten, damit sie sich mal ein Bild machen könnten. Nun hat sich heute morgen allerdings prompt das Gericht bei mir gemeldet und gemeint sie würden sich direkt um einen Amtsarzt/Gutachter kümmern, der dann ebenfalls mit mir gemeinsam dahin könnte. Ich werde nun den Termin mit dem Sozialpsych. Dienst absagen, um meiner Mutter den Stress nicht zwei Mal zuzumuten. Soweit ich weiß, fällt jegliche Entscheidungen bzgl. Betreuung/Unterkunft meiner Mutter ja dann eh nur gemeinsam mit dem Vormundschaftsgericht. Insofern ist es vermutlich klüger direkt einen Amtsarzt von denen kommen zu lassen.

Ich muss sagen, dass ich riesige Angst vor diesem Termin habe... ich werde ja mitgehen, um sicherzugehen, dass meine Mutter auch die Tür öffnet bzw. hätte ich zur Not auch einen Zweitschlüssel. Ich bin mir sicher, dass sie austicken wird, sobald sie einigermaßen nachvollziehen kann, was passiert, v.a. weil ich ihr bei unserem Gespräch neulich versucht habe klarzumachen, dass jetzt was geschehen wird, und sie entweder mit mir und meiner Tante "zusammen arbeiten" kann oder andere Leute vielleicht das Ruder in die Hand nehmen. Aber ich weiß nicht inwiefern sie das alles noch nachvollziehen kann...
Außerdem fühle ich mich ihr gegenüber so schlecht, weil ich ihr nichts davon erzählen kann, da sie austicken würde, wenn sie wüsste, was ich in die Wege geleitet habe. Allerdings weiß ich, dass mir nichts anderes übrig bleibt... ihr Zustand wird zusehends schlechter.. ich mache mir nur Sorgen, aber ihr klarzumachen, dass man aus Liebe handelt und ihr nichts Böses will, ist sehr schwer. Auf der anderen Seite kann ich auch verstehen, dass sie höllische Angst haben muss, von dem was noch kommt.
Momentan ist das Berhältnis zu ihr übrigens wieder besser... Meine Tante hat nachdem Streit, den ich mit meiner Mutter hatte, nochmal mit ihr telefoniert und ihr erklärt, dass niemand ihr was Schlechtes will... Irgendwie scheint sie auf sie eher zu hören... Sie hat sich dann Heilig Abend (an dem sie zunächst gar nicht kommen wollte) sogar bei mir entschuldigt.. das Thema wurden den Abend über nicht mehr angesprochen und so war es verhältnismäßig recht harmonisch... Ich war auch sehr froh, dass sie da war (auch wenn ich nach ihrer Anwesenheit immer extrem deprimiert bin), da man ja nicht weiß ob wir ein Weihnachten in der Runde und in der Form nochmal erleben dürfen...

Ich hoffe, das war jetzt alles nicht zu wirr von mir formuliert.. Es ist schwer solche Gedanken in einigen Zeilen festzuhalten.. Es wäre schön, wenn ihr vielleicht dazu Stellung nehmen könntet.. ihr könnt mich auch gerne kritisieren, wenn ihr der Meinund seid ich mache gerade irgendwas falsch... Ich weiß zwar schon seit Jahren, dass igrendwann der Zeitpunkt kommen wird, an dem was mit meiner Mutter geschehen wird und dass ich als nächste Angehörige dafür zuständig sein werde.. aber wenn es dann soweit ist, fühlt man sich trotzdem erstmal ziemlich vor den Kopf gestoßen ;-)

Liebe Grüße an euch alle und eine hoffentlich halbwegs ruhige letzte Jahreswoche!

Isi


Inge
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Beitrag: # 25450Beitrag Inge »

Liebe Isi. Ich freue mich wirklich sehr, daß Du Dich wieder meldest ! Hab Dir ja vor Jahren schon geschrieben, daß ich Dich - trotz, daß Du damals noch sehr jung warst - sehr reif finde. Das tue ich nach wie vor. Leider hat das sicher auch mit Deiner bzw. der Situation Deiner Mutti zu tun. Glaub mir, Du machst alles richtig. Ich bewundere Dich und sende Dir ganz viel Kraft. Das Verdrängen der CH bei Betroffenen ist leider normal. Kannte ich von meiner Mutti damals auch. Aber ich war über 40 und hatte imense Schwierigkeiten mit alldem klarzukommen. Sei weiter so tapfer und hilf Deiner Mutti, am Ende des Lebens wird abgerechnet und wenn Du alles für sie getan hast, mußt Du nie ein schlechtes Gewissen haben. Wie es aussieht, kann sie nicht mehr lange allein leben. Alles Gute für Euch alle. Inge.
auch mal an sich denken... und doch stark bleiben
Isi
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Beitrag: # 25451Beitrag Isi »

Hallo Inge,
vielen Dank, dass du mir mal wieder antwortest und danke für deine lieben Worte! Ich weiß ja selber, dass das was ich jetzt mache, richtig und notwendig ist. Nur weiß ich ebenso, dass sie das zunächst nicht einsehen wird und mit Sicherheit panisch reagieren wird. Ich habe sehr große Angst davor, was passiert, wenn ich in einigen Wochen mit dem Gutachter vom Gericht vor ihrer Tür stehe. Zum Beispiel weiß ich gar nicht, was geschieht, wenn sie sich vehement weigern sollte, sich mit dem Gutachter zu unterhalten... Abgesehen davon will ich mir gar nicht ausmalen, wie abgrundtief sie mich erst mal hassen wird, sobald sie realisiert, dass das mein Werk ist.
Wie war es denn damals mit deiner Mutter? Hat sie zumindest irgendwann im Nachhinein eingesehen, dass man ihr nur helfen wollte?
Inge
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Beitrag: # 25454Beitrag Inge »

Liebe Isi. Bei meiner Mutti war es ein "später" Verlauf. Die Veränderungen mit ihr begannen - da war sie ca. 58 Jahre alt. Wir wohnten damals in HH und am Telefon und wenn ich sie mal sah, sagte ich zu meinem Vati "Mutti ist nicht mehr sie selbst". Sie war anstrengend, naja und alles was dazu gehört. Sch... Im Jahr 2000 sind wir nach Leipzig zurück und mein Mann hat dann einiges geregelt beim Hausarzt meiner Eltern. Die Ärztin meinte "Manche Leute verändern sich im Alter". Später kam sie ins Krankenhaus und dort stellte man CH fest. Die Sch... nahm ihren Lauf und ja, natürlich meinte sie mein Vati ist schuld, er hatte wie Angst vor ihr. Dann wurde die Unruhe schlimmer und sie verlangte selbst nach dem Krankenhaus. Später 01/04 kam sie in ein Pfl.->Heim in unserem Ort, wo ich täglich bei ihr war. Hab alles für sie getan, hab funktioniert wie bekloppt und heute erst realisiere ich alles und es geht mir schlechter als damals. Paß auf Dich auf! Nimm nichts persönlich! Meine Mutti starb im April 09, auch da war ich bei ihr. Sie wurde 74 J. alt. Du siehst, man kann alt werden mit CH, nur wie? Wenn Du noch Fragen hast, stelle sie, bin heute abend wieder hier.
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Kalle
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Die Zeit

Beitrag: # 25455Beitrag Kalle »

Hallo Isi und alle zusammen,

ich hoffe Ihr habt alle ein schönes Weihnachtsfest verleben dürfen, auch wenn die Umstände manchmal nicht so gut sind. Wir in der Ansgarstraße haben ein sehr schöne Festtage verlebt. Alle die hier im Hause waren haben nicht eine Minute an ihre Krankheit gedacht. Aber nun zu Isi. Ich denke schon dass Du sehr veranrwortungsbewusst handeslt. Auch wenn es uns schwer fällt, wir können unsere lieben Menschen nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Vor Weihnachten habe ich in einer Antwort geschrieben: Die häufigste Symptome der Krankheit sind die Einsamkeit. Der Betroffene wird uns das nie so bestätigen. Erst dann wenn ein Vergleich für den Betroffenen möglich ist. Und wergibt schon gern seine eigene krankheit zu. HK erkrankte schon garnicht. Der Weg den Du gehts ist nicht selten. Leider :cry: Aber oft nicht zu umgehen.Wichtig ist vieleicht, wenn Deine Tante eher eine Vertrauensperson ist, dass Sie bei dem Termin dabei ist, und nicht Du selbst oder nur eine Nebenrolle dabei spielst. Es wäre schade, wenn Deine Mutter Dir eine sogenannte Schuld zu Ihrem zukünftigen Schicksal gibt. Entscheident ist immer die Situation in der sich Deine mutter gerade befindet. Mit einer Kur könnte mann auch versuchen ein Verständnis zu erreichen. Wie das dann gehen kann und wo, dazu kannst Du mich auch anrufen. Sonnst wird der Text zu lang.
Für alle wünsche ich einen guten Start in das Jahr 2011. Ich stecke jetzt schon in der Vorbereitung für unsere Silvesterparty.
Hier noch mal meine Tel.Nummer. 0172/4496391 oder 04821/8040995

Tschüß bis bald:
Euer Kalle :P :P
Isi
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Beitrag: # 25565Beitrag Isi »

Hallo ihr Lieben,
vielen Dank erstmal für die bisherigen Antworten.
Ich bin grad etwas durch den Wind, da ich vor einer Stunde einen Anruf von der Arztpraxis erhalten habe, die damit beauftragt wurde, ein Gutachten über den Zustand meiner Mutter zu erstellen und somit auch über die Frage der Notwendigkeit einer gesetzlichen Betreuung zu entscheiden. Die Ärztin will meiner Mutter nächste Woche Dienstag Vormittags einen Besuch abstatten. Eigentlich hätte ich da überhaupt keine Zeit, da ich in die Uni muss, aber ich hoffe, mich da irgendwie befreien zu können, da ich unbedingt mit möchte bzw. eigtl auch muss um sicherzugehen, dass meine Mutter die Tür öffnet. Sie wird nun auf meine Bitte hin nicht von dem Termin informiert aus dem Grund, dass sie vorhergehende Termine mit dem sozialpsychatrischen Dienst des Gesundheitsamts nie wahrgenommen hat, nachdem sie informiert wurde. Gerade zweifle ich allerdings sehr daran, ob ich alles richtig mache. Im Prinzip hintergehe ich sie ja, wenn sie nichts von dem Termin weiß und ich ihr einfach erzähle ich komm sie am Dienstag (evtl mit meiner Tante falls diese dann Zeit hat) Morgen besuchen und dann stehen wir plötzlich mit der vom Amtsgericht bestellten Gutachterin da. Andererseits habe ich große Bedenken, sie würde vielleicht ausflippen und uns gar nicht erst reinlassen, wenn sie vorher schon weiß was los ist. Ich besitze zwar einen Ersatzschlüssel zur Wohnung, aber den möchte ich doch nur sehr ungern einsetzen.
Das nächste Problem ist, dass ich nicht weiß unter welchem Vorwand ich ihr meinen Besuch ankündigen soll. Sie wird sich sicher wundern wenn ich schon um 8h morgens kommen möchte. Abgesehen davon könnte es sein, dass sie um diese Zeit normalerweise gar nicht daheim ist, weil sie ihre Einkäufe immer schon sehr früh erledigt. Und sie davon abzubringen ihre Erledigungen zur gewohnten Zeit zu tätigen ist nahezu unmöglich... Sie braucht ihren strikten Tagesablauf, sonst gerät sie recht schnell in Rage... Ich bin gerade wirklich ziemlich ratlos :-( Einerseits bin ich froh, dass jetzt endlich mal etwas geschieht - insbesondere weil ich bei meinen derzeitigen Besuchen immer wieder feststelle, dass sie zunehmend körperlich und geistig abbaut - andererseits hab ich große Angst davor, was jetzt noch kommt und dass ich Fehler machen könnte.
Udo
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Beitrag: # 25568Beitrag Udo »

Hallo Isi

Zu der Frage, ob Du alles richtig machst, sag ich mal ja. Mach Dir keine Gewissensbisse. Das Problem mit dem Arztbesuch und deiner Mutter ist nicht einfach. Ich hoffe, Du kannst das so timen, das Deine Mutter auch da ist, wenn die Ärztin kommt. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn die Ärztin erst kommt, wenn Deine Mutter einkaufen war. Ansonsten kannst Du ja auch "rein zufällig " bei Deiner Mutter vorbeischauen, weil Du etwas wichtiges suchst, und es womöglich bei Ihr verloren hast. Außerdem hast Du dann auch gerade einen Tag Urlaub oder so. Und dann kommt erst die Ärztin, weil sie gerade eben Zeit hatte. Irgendwie alles ziemlich mies, aber vielleicht in der Art oder ähnlich. Ich kann mir vorstellen, das deine Mutter womöglich etwas ausflippt, wenn die Ärztin kommt. Es kann aber auch ganz ruhig verlaufen, vielleicht kommt Deine Mutter vor Überraschung gar nicht dazu, in Rage zu kommen.
Puh, ich weiss, das ist alles nicht schön, und geht an die Nerven.
Aber wenn nicht jetzt, wann dann? Später wird es noch schlimmer.

Ich hoffe, es geht alles gut, berichte mal darüber

Daumen Drück, Udo
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Sunflower
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Unwahrheiten vermeiden

Beitrag: # 25576Beitrag Sunflower »

Liebe Isi,

Weder kenne ich Dich noch Deine Mutter, aber ich kann die Situation gut nachvollziehen - zum einen als Tochter meiner CH-betroffenen Mutter, zum andern weil ich in einer psychiatrischen Klinik gearbeitet habe und Zwangsituationen miterlebt habe.

So ist mir durch den Kopf gegangen, dass es wohl am wichtigsten ist, Menschen nicht zu belügen, möglichst ehrlich zu bleiben, ohne jedoch alles offen sagen zu müssen.
Etwa Deiner Mutter als Vorwand zu sagen, dass Du ihr etwas Wichtiges sagen möchtest, mit ihr etwas Wichtiges erledigen müsstest.
Dann würde ich auch der Ärztin die morgendliche Alltagssituation Deiner Mutter schildern, damit sie möglichst darauf eingehen kann, also eben etwas später am Vormittag kommt oder halt wartet und sich genügend Zeit nimmt für den Termin.
Und nicht zuletzt finde ich die Idee gut, zusammen mit der Tante hinzugehen. Ich würde die fremde Ärztin keinesfalls allein hingehen lassen.

Ich hoffe, dass alles gut kommt und Deine Mutter spürt, dass Du es zu ihrem Besten tust. Dass das klappen kann, hängt auch mit Deiner eigenen Ausstrahlung zusammen, ob Du Angst hast, oder aber ruhig bist und vertraust, dass es wirklich gut ist so.

Ich wünsche Dir viel Kraft und Ruhe!
Lieber Gruss, Sunflower
Isi
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Beitrag: # 25578Beitrag Isi »

Was den Termin betrifft, konnte ich das Ganze glücklicherweise um eine Stunde nach hinten verschieben. Meine Tante, die Ärztin und ich treffen uns somit erst um 9 Uhr bei meiner Mutter. Zu dieser Zeit sei sie, wie sie mir auch selbst zugesichert hat, auf jeden Fall bereits wieder daheim.
Ich habe meiner Mutter jetzt keinen speziellen Grund für meinen Besuch genannt. Da ich alle 2-3 Wochen mal bei ihr vorbeischaue, hat sie sich nichts weiter dabei gedacht. Dass meine Tante mich begleiten wird, werde ich ihr auch noch mitteilen. Zwar würde ich ihr sehr gerne sagen, dass wir nicht einfach grundlos vorbeikommen. Allerdings befürchte ich, dass sie dann schon vermuten kann worum es geht, da ich sie vor wenigen Wochen erst nchmal direkt versucht habe, auf das Thema CH anzusprechen. Aufgrund der Tatsache, dass sie da wieder völlig ausgerastet ist, habe ich eher Angst, sie würde dann direkt sagen, wir sollen lieber daheim bleiben...

Leider hatte ich bisher noch nicht die Möglichkeit direkt mit der Ärztin zu sprechen. Daher will ich versuchen am besagten Tag etwas früher anwesend zu sein um, bevor, wir die Wohnung betreten, dann noch ein paar Worte mit ihr zu wechseln. Was mich etwas beruhigt ist die Tatsache, dass die Ärztin bereits mit CH vertraut ist, da es auch sie war, die das Gutachten für meine andere, ebenfalls erkrankte, Tante erstellt hat. Wenn es irgendwie möglich ist, werde ich vielleicht auch ein paar Minuten früher in die Wohnung meiner Mutter gehen, noch bevor meine Tante und die Ärztin dann kommen, damit ich mich vielleicht 10 Minuten "normal" mit ihr unterhalten kann, bevor dann der Überraschungsmoment eintritt, wenn die Ärztin kommt.

Leider lässt sich das alles nicht so 100% planen.. am wenigsten natürlich die Reaktion meiner Mutter. Zwar beruhigt es etwas zu lesen, dass du, Sunflower, sagst, sowas könne auch einigermaßen harmlos verlaufen und wenn Leute wie Udo meinen, ich mache im Großen und Ganzen nichts Falsches. Aber ich hab trotzdem ziemliche Angst, da jeglicher Versuch das Thema in vernünftiger und ruhiger Weise mit meiner Mutter zu besprechen, kläglich gescheitert ist... Deswegen hoffe ich auch sehr, dass ich es schaffe, einigermaßen besonnen und nicht allzu nervös aufzutreten.

Eine Frage noch an Sunflower, oder auch den Rest, der sich damit evtl besser auskennt als ich: Was passiert denn, gesetzt dem Fall, meine Mutter reagiert hysterisch und weigert sich vehement mit der Ärztin zu kooperieren? Immerhin ist die Erstellung des Gutachtens vom Amtsgericht in Aufrag gestellt worden, d.h. eigentlich muss es ja irgendwie gemacht werden?!

Ich werde natürlich berichten, wie letztendlich alles verlaufen ist, und bis dahin versuchen keine allzu ausgeprägte Schwarzmalerei zu berteiben ;-)

Liebe Grüße
Isi
Udo
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Beitrag: # 25579Beitrag Udo »

Isi hat geschrieben: Eine Frage noch an Sunflower, oder auch den Rest, der sich damit evtl besser auskennt als ich: Was passiert denn, gesetzt dem Fall, meine Mutter reagiert hysterisch und weigert sich vehement mit der Ärztin zu kooperieren? Immerhin ist die Erstellung des Gutachtens vom Amtsgericht in Aufrag gestellt worden, d.h. eigentlich muss es ja irgendwie gemacht werden?!

Liebe Grüße
Isi
Falls deine Mutter krass reagieren würde, würde die Ärztin ja sehen, wie es Ihr geht. Ich glaube, das die Ärztin in diesem Falle weiß, wie sie darauf reagieren muss. Du hast ja geschrieben, das sie mit CH etwas Erfahrung hat. Ich denke, das dann eine gesetzliche Betreuung beantragt wird. Ich würde dringend darauf achten, das Du ein Mitbestimmungsrecht hast in der Betreuung, da es sonst unter Umständen ganz schnell passieren könnte, das Deine Mutter Ihre Wohnung los ist. Und das ist bestimmt nicht unbedingt nötig. Aber das ist schon wieder weitergedacht. Aber auch wichtig.

Ist schon irgendwie stressig diese Situation, bin selbst ganz aufgeregt seltsamerweise.
Bevor ich jetzt noch vor Müdigkeit irgendwelchen Unsinn schreibe, weiter hin Gute Kraft mit Dir.
Wann soll das den überhaupt sein mit der Ärztin?

Gruß, Udo :wink:
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Isi
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Beitrag: # 25580Beitrag Isi »

Der Termin ist kommenden Dienstag.
Ist schon irgendwie stressig diese Situation, bin selbst ganz aufgeregt seltsamerweise.
Das war sicherlich nicht meine Intention =) Es reicht schon, wenn ich mir deswegen meine Gedanken mache und etwas unruhig bin. Aber schön zu wissen, wenn andere gewissermaßen trotzdem daran teilhaben.

Ja, das mit der Betreuung ist auch so eine Frage. Bislang haben mir die meisten eher davon abgeraten, das selbst in die Hände zu nehmen, da damit doch einiges an Aufwand verbunden ist. Die erkrankte Schwester meiner Mutter hat scheinbar eine ziemlich nette und sorgsame Betreuerin. Vielleicht kann ich ja zumindest anfragen, ob sie dann ggfs auch die Betreuung für meine Mutter übernehmen könnte. Dann hätte ich dabei immerhin ein besseres Gefühl als wenn ich sie einfach irgendwem überlasse. Aber ich denke, da werde ich mich dann erstmal ausführlich beraten lassen, wenn es sowei ist.

Gute Nacht euch allen!
Udo
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Beitrag: # 25589Beitrag Udo »

Es ist ja auch möglich, das die Betreuerin z.B. erst mal für ein Jahr die Betreuung übernimmt, und wenn das gröbste geregelt ist, könntest Du auch die Betreuung weitermachen. Anderseits, wenn man gerade bei einer einem nahe stehenden Person die Betreuung übernimmt, kann man manchmal auch keine ganz neutralen Entscheidungen treffen. Ein Außenstehender kann oft unbeeinflusster entscheiden. Trotzdem ist ein Mitentscheidungsrecht ziemlich sinnvoll. Das sollte bei einer guten Betreuer/in kein Problem sein.
Aber wie Du schon richtig sagtest, eins nach dem anderem.

Naja, mit dem Aufgeregt sein, ich kann mich manchmal ganz gut in Situationen reindenken, und erlebe das dann ein bißchen bildlich vor meinem geistigem Auge. Ich bin ein ab und zu ziemlicher Gefühlsmensch. Hat Vorteile und manchmal auch Nachteile. Je nachdem.

Wird schon alles werden

Gruß, Udo
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Isi
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Beitrag: # 25606Beitrag Isi »

So, der Termin mit der Ärztin vom Amtsgericht und meiner Mutter ist überstanden und ich wollte nur einen kurzen Statusbericht liefern...
Ich bin sehr erleichtert, da alles im Großen und Ganzen viel unkomplizierter und harmloser über die Bühne gegangen ist, als ich erwartet hatte. Zunächst habe ich mich mit der Ärztin vor der Wohnung meiner Mutter getroffen und ein paar kurze Worte mit ihr gewechselt, damit sie die Situation besser einschätzen kann. Eigentlich sollte meine Tante ebenfalls mitkommen - die hat jedoch verschlafen und ist somit erst ein wenig später nachgekommen (das hat mir erst ziemliche Sorgen bereitet, weil meine Mutter auf meine Tante bislang immer besser reagiert hat, wenn es um das Thema ging, aber es lief dann doch alles ganz gut...). Wir sind also zu meiner Mutter in die Wohnung. Sie hat die Ärztin einige Sekunden lang mit meiner Tante verwechselt. Als ihr der Trugschluss dann auffiel, war sie zunächst etwas überrascht. Die Ärztin hat die Situation aber äußerst kompetent und auf freundliche Weise gemeistert und ihr ehrlich gesagt, dass sie vom Amtsgericht beauftragt wurde und meiner Mutter jetzt einfach ein paar Fragen stellen müsse. Sie entschuldigte sich dann für das unangekündigte Erscheinen mit der Begründung, sie hätte leider die Telefonnummer meiner Mutter nicht gehabt, um Bescheid zu geben. Das hat super funktioniert! Meine Mutter war dann auch nicht weiter verwundert, da sie damals ebenfalls eine Bescheinigung vom Amtsgericht erhalten hat, in welcher angegeben war dass die besagte Ärztin mit ihr in Kontakt treten würde. Das hat sie dann miteinander in Verbindung gebracht.. Ich glaube zwar, dass sie nicht wirklich wusste worum es dabei ging, sondern dachte die Ärztin käme einfach so mal vorbei um sich zu versichern, dass sie gesund sei, aber das war für's Erste ja auch weniger relevant.
Auch mir gegenüber war sie die ganze Zeit freundlich gestimmt.. Scheinbar hat sie nicht verstanden, dass ich den Termin in die Wege geleitet hab, aber dafür war ich letztendlich auch sehr dankbar.

Um zum Punkt zu kommen: Die Ärztin hat sich dann ca. 45 Minuten lang, zweitweise im Beisein von mir und meiner Tante, mit meiner Mutter unterhalten. Sie hat ihr Fragen zu ihrem Lebenslauf, ihrer derzeitigen Situation und ihrem Befinden gestellt. Dabei wurden meiner Mutter immer wieder "Rechenaufgaben gestellt und Fragen, die darauf schließen liesen, wie gut ihr Gedächtnis war und inwiefern sie noch in der Lage war, logisch und formal richtig zu denken. Auch der sogenannte Uhrentest, der soweit ich weiß auch häufig in Verbindung mit Demenz durchgeführt wird, wurde gemacht und war eindeutig pathologisch. Ich empfand es persönlich als relativ interessant sowas mitzuerleben. Andererseits war es teils auch beängstigend, weil mir dadurch erst nochmal wirklich bewusst wurde, wie beeinträchtigt der intellektuelle Zustand meiner Mutter mittlerweile schon ist.
Gegen Ende des Gesprächs hat die Ärztin sie sogar direkt auf CH angesprochen, da meine Mutter wahrheitsgemäß einräumte ihre eigene Mutter und eine ihrer Schwestern sei daran erkrankt. Wie zu erwarten war, versuchte sie allerdings der Ärztin zu versichern, dass es ihr gut ginge, abgesehen davon, dass sie manchmal etwas nervös sei, und dass sie von sich selber nicht denke, ebenfalls daran erkrankt zu sein. Sie sagte auch deutlich, dass sie bitte keine Hilfestellung in Form einer Betreuung erhalten möchte. Die Ärztin ist dann auch nicht weiter auf das Thema eingegangen und meinte nur, sie solle sich doch nochmal in Ruhe mit mir und ihrer Schwester drüber unterhalten. Und zu mir sagte sie, sie würde mich dann demnächst nochmal anrufen.
Nachdem die Ärztin gegangen ist, haben dann meine Tante und ich ihr auch nochmal versucht klarzumachen, was eine Betreuung eigentlich für sie bedeuten würde (also dass es sich dabei nur um "Unterstützung" handle und das ja nicht automatisch heißen würde, sie dürfte daheim nichts mehr selber machen). Ich weiß jedoch nicht inwiefern sie das verstanden hat. Auch weiß sie nicht, dass die ganze Sache mit dem ärzltichen Gespräch jetzt nicht beendet sein wird. Aber um sie heute nicht noch weiter zu stressen (das Gespräch war ja sicher auch anstrengend für sie), habe ich diesbezüglich auch nichts mehr gesagt, sondern werde jetzt erstmal den Anruf der Ärztin und das von ihr erstellte Gutachten abwarten und ihr dann versuchen klarzumachen, dass die Betreuung leider unvermeidlich ist. Davor habe ich auch noch ziemliche Angst... aber für's Erste bin ich erleichtert, dass das heute ohne weitere Eskalation funktioniert hat und dass sie nicht böse auf mich ist oder denkt, irgendwer wolle ihr schaden.

Sobald es was Neues gibt, lass ich es euch wissen. Vielen Dank für das Mut zusprechen!
Udo
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Beitrag: # 25608Beitrag Udo »

Hallo Isi,

Das habt Ihr sehr gut gemacht!

Mit dem , was jetzt noch kommt, Betreuung etc. das würde ich nicht im vorab zum Thema machen. Das macht nur unnötigen Aufruhr. Ich würde das nach dem Schema machen, wie Ihr es jetzt gemacht habt. Wenn es soweit ist, in Ruhe Deiner Mutter den Betreuer vorstellen. Oder so ähnlich.

Dieser Test war wohl eine Form vom Mini-Mental Status, mit Uhrentest. Ergibt einen ersten Eindruck des geistigen Status, aber kann bei Aufgeregtheit auch etwas zum schlechten Ausfallen. Meine Freundin kriegt zwar keine Uhr hin, aber wenn sie es liest, kann sie (noch? ) die Uhrzeit sagen. Müßte ich vielleicht mal unauffällig probieren. Ob sie damit was anfangen kann, oder ob Ihr die Uhrzeit auch sowas von egal ist, kann man schlecht sagen. Zeichenen kann sie es nicht, da es wegen der Bewegungsstörung nicht möglich ist.

Ich z.B. kann mir schlecht etwas merken. In diesbezüglichen Test`s schneid ich nicht sehr gut ab, mal milde gesagt.
Aber es ist nun so, das durch die Ch Dinge verloren gehen. Man sollte es aber nicht mit Alzheimer etc, vergleichen.

Danke noch für Deine Rückmeldung, es hat mich gefreut, das es doch recht gut über die Bühne gegangen ist.

Gruß, Udo
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Isi
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Beitrag: # 25736Beitrag Isi »

Hallo an alle,

die letzten Tage hat sich im Fall meiner erkrankten Mutter ziemlich viel ereignet, weshalb ich euch mal wieder auf den aktuellen Stand bringen wollte.
Alles fing am Montag an. Ich habe am Montag meine letzten beiden Klausuren geschrieben (jetzt habe ich Semesterferien - juhu ;-)). Während ich die erste geschrieben hab, hat sie versucht mich zu erreichen. Also habe ich sie zurückgerufen. Sie war ganz aufgelöst und am weinen und hat mir als erstes berichtet, ihre Toilette sei kaputt und weiterhin dann gesagt, dass es ihr so schlecht gehe, sie nicht mehr leben wolle, weil sie auch meinen Vater so vermisst (hat sich umgebracht als ich 3 war), usw. Sie wollte scheinbar, dass ich zu ihr komm, allerdings ging das leider nicht sofort, da ich 2 Stunden später meine nächste Klausur schreiben musste. Ich hab sie also versucht damit zu beruhigen, dass ich danach komme und gesagt, ich würde mich mal drum kümmern, dass vielleicht jemand wegen der defekten Toilette vorbei kommt. Letzteres hab ich dann auch gemacht, so dass der Hausmeister kurz später zur Reparatur gekommen ist.
Nach meiner zweiten Klausur bin ich dann gemeinsam mit meiner Tante zu ihr gefahren. Ich hab sie noch nie so verzweifelt und traurig gesehen. Wir haben dann soweit es ging versucht sie zu beruhigen und sie dazu überreden können, auch mal wieder etwas zu essen. Als wir nachher gegangen sind, hat sie aber wieder angefangen zu weinen. Ich habe den Eindruck, dass ihr das viele Alleinsein mittlerweile ziemlich zu schaffen macht. Wir haben auch wieder vergeblich versucht ihr klarzumachen, dass es so nicht weiter ginge (und das geht es wirklich nicht, sie kann mittlerweile nicht mal mehr anständig aufs Klo gehen....). Aber sie hat nur gemeint, wenn wir vorhaben, sie mit ärztlicher Behandlung oder Betreuung zu konfrontieren würde sie "weggehen oder sich umbringen".

Am darauffolgenden Tag sind meine Tante und ich wieder zu meiner Mutter gefahren um mit ihr zusammen zu essen und dann einen Teil der Wohnung zu putzen, was auch dringend nötig war. Das verlief ganz gut, obwohl man auch da gemerkt hat dass es ihr psychisch immer noch schlecht ging. An diesem Tag habe ich übrigens auch das Gutachten zugeschickt bekommen, dass die Amtsärztin erstellt hat. Demnach ist meine Mutter geschäftsunfähig, nicht mehr zur eigenen Willensbestimmung in der Lage und kriegt umfangreiche Betreuung verordnet.

Der gestrigeTage war dann purer Horror.... Ich bin mittags zu ihr gekommen um ihr etwas für die Wohnung mitzubringen, was wir am Tag zuvor beim Reinigen aussortiert hatten. Sie wusste auch dass ich kommen würde, hat mir aber zunächst nicht geöffnet, so dass ich mit meinem Ersatzschlüssel in die Wohnung kommen musste. Da lag sie dann ziemlich fertig auf dem Sofa und hatte das Gas an ihrem Küchenofen voll aufgedreht, weil sie sterben wollte, wie sie selbst sagte. Natürlich hab ich dann direkt alles abgedreht und die Fenster aufgemacht. Es ging ihr auch noch gut.. bis da etwas passiert, dauert es ja zum Glück eine Weile. Nachdem ich dann versucht hab mit ihr zu reden und sie zu trösten und sie wieder einen stabileren Eindruck gemacht hat, habe ich mich für 5 Minuten entschuldigt mit der Begründung ich müsse nur kurz vor zur Bank um Geld zu holen und komm dann gleich wieder. Tatsächlich habe ich dann einen Krankenwagen gerufen. Habe lange überlegt ob ich das tun soll, aber nach der Aktion und dem labilen Eindruck, den sie die Tage zuvor gemacht hatte, war das für mich die einzige Möglichkeit, wenn ich sie nicht selbst Tag und Nacht bewachen wollte. Als die Sanitäter dann da waren, war meine Mutter natürlich erstmal ziemlich überrascht und entsetzt. Hab ihr gesagt, dass ich das jetzt tun musste, da ich mir zu große Sorgen um sie mache und sie damit beruhigt, dass sie ja jetzt nicht ewig im Krankenhaus bleiben müsse, sondern nur eine Weile bis sie sich besser fühle.

Das hat erstaunlich gut geklappt. Sie ar zwar sehr aufgeregt, ist dann aber freiwillig mit uns mitgekommen. Auch die Wut mir gegenüber hat sich relativ rasch gelegt. Ich muss sagen, dass ich wirklich stolz auf sie war, wie kooperativ und einsichtig sie sich da gezeigt hat.
Eskaliert ist die ganze Sache dann jedoch, als wir nach einigem Warten in der psychiatrischen Ambulanz zum Arzt kamen. Nachdem er sich einen kurzen Eindruck über meie Mutter verschafft hat und ich ihm das nötigste, natürlich auch unter Verweis auf CH, mitgeteilt hatte, entschied er, dass er es keinesfalls verantworten könne, sie wieder nach Hause zu schicken, dass in ganz (!) Nürnberg allerdings keine Plätze mehr frei seien und sie deshalb vorerst nach Ansbach in die Psychiatrie müsse. Von da an ist meine Mutter dann in die Luft gegangen. Vermutlich hängt das damit zusammen, dass ihr Onkel und ihr Großvater in Ansbach gestorben sind (damals wusste man noch nicht dass es sich um CH handelt und die Leute wurden einfach für verrückt erklärt und weggesperrt). Ich war auch nicht sonderlich begeistert davon, da ich keinen eigenen PKW habe und es daher umständlich für mich war, ihre Sachen (sie hatte nämlich noch fast nichts bei sich) zu ihr zu bringen und ich generell zum Besuchen immer mit dem Zug anreisen müsste.
Wir sollten dann erst ne Weile warten, dann rief uns der Arzt erneut zu sich und bestätigte dann, dass sie jetzt definitiv dort hin käme. Meine Mutter ist daraufhin hysterisch auf den Gang gerannt, hat versucht die Scheiben einzuschlafen, wollte fliehen und hat mich beschimpft. Das war unglaublich grausam mitanzusehen :-( Und dann hat der Arzt, der mir übrigens von Anfang an extrem unsympathisch war, tatsächlich mir eine Tablette in die Hand gedrückt und mich rausgeschickt um sie meiner Mutter zu geben. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, ob er das gedurft hätte! Das ist ja wohl sein Job... Ich kam mir so schlecht vor, als ich dann raus bin und meine Mutter gebeten hab die Tablette einzunehmen. Sie hat natürlich durchschaut, dass es sich um ein Beruhigungsmittel handelte und mich wütend weggeschickt...
Ich konnte dann auch nichts mehr machen, weshalb der Arzt mich heimgeschickt hat und meinte sie würden mich zurückrufen, sobald sie wissen, wann Sanitäter und Polizei sie nach Ansbach transportieren.

Das war wirklich mit Abstand einer der schrecklichsten Momente meines Lebens, meine Mutter in dem Zustand alleine zu lassen und erstmal nichts weiter unternehmen zu können. Sie muss schließlich furchtbare Angst gehabt haben. Im Nachhinein hab ich erfahren, dass sie sie sogar zeitweise festbinden mussten :-(

Um zum Ende der Geschichte zu kommen... Sie wurde heil nach Ansbach gebracht und hat sich auch relativ schnell wieder beruhigt. Ich konnte es dann dank meines Freundes noch einrichten ein Auto aufzutreiben, so dass er, meine Tante und ich gestern Abend außerhalb der Beuchszeiten noch kurz ind Krankenhaus fahren konnten um ihr ihre Sachen zu bringen. Sie hat sich dann auch mir gegenüber wieder fast normal verhalten und machte generell einen besseren Eindruck. Als wir kamen saß sie zum Beispiel im Aufenthaltsraum und hat sich mit einer anderen Patientin unterhalten. Ich denke, die Tatsache, dass sie jetzt erstmal viele Menschen um sich hat und nicht mehr so oft alleine ist, wird ihr gut tun.
Die Station, die Schwester und auch die Ärztin, mit welcher ich gestern noch telefoniert habe, haben alle einen freundlichen und positiven Eindruck hinterlassen. Nun fahren wir heute nachmittag nochmal hin, um sie zu besuchen und dann auch etwas mehr Zeit mitzubringen.

Auch wenn das gestern ein grauenvoller Tag war, denke ich, dass es vielleicht besser war, dass es so gelaufen ist. Jetzt ist sie endlich in medizinischer Betreuung. Das ist das, was ich mir schon so lange erhoffe und was sie schon vor langer Zeit benötigt hätte. Außerdem müsste in der Zeit, die sie im Krankenhaus ist, auch die Betreuung eingerichtet werden. Ich hoffe also, dass sie, sobald sie entlassen wird, dann übergangslos Hilfe bekommt. Und hoffentlich sieht die Welt dann für sie als auch für mich wieder ein bisschen besser aus.


Bitte entschuldigt den kleinen Roman, aber die Unfähigkeit sich kurz zu fassen, gehört zu meinen Schwächen ;-)
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