Lebensende

Chorea Huntington, eine Nervenkrankheit (auch schon mal Corea Huntington). Für Betroffene und Angehörige

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StephanZ
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Lebensende

Beitrag: # 33749Beitrag StephanZ »

Hallo zusammen,

nachdem mein letzter Beitrag hier nun schon ca. 15 Monate her ist (damals ist mein Gentest als Risikoperson glücklicherweise negativ ausgefallen und wir hatten im Nachgang über das Verhalten meiner Eltern (Verschweigen der Krankheit) diskutiert), möchte ich mich nun mit einer Frage an die Community wenden.

Mittlerweile nähern sich meine Eltern und ich in langsamen Schritten wieder einander an. Meine Mutter ist nun 58 Jahre alt und ist in gerader Linie glücklicherweise die letzte, die den Chorea-Gendefekt in sich trägt. Ihre Sprachstörungen haben zugenommen, ebenso fällt ihr das Laufen schwer, häufig verschluckt sie sich, deutlich auffällige Bewegungsstörungen hat sie noch nicht. Ich würde sie allerdings als depressiv bezeichnen.

Da sie mit niemandem wirklich über die Krankheit reden kann (mein Vater setzt aufs Verdrängen - wie sie selbst in der Vergangenheit ja auch), die Symptome aber immer stärker werden, hat sie mich nun auf das Thema Sterbehilfe angesprochen.

@Administratoren: Ich weiss, dass das Thema vor dem Hintergrund der derzeitigen politischen Diskussion und aus ethischen Gründen heikel ist, ggf. löscht diesen Beitrag aus dem Forum, sofern das Thema hier nicht behandelt werden soll. Aber meiner Meinung gehört ja auch das Lebensende bzw. dessen Gestaltung zum Leben mit dazu.

Ich kann meine Mutter auch grundsätzlich mit ihrem Wunsch verstehen, sie möchte sich das Schicksal ihrer Mutter ersparen, die nach langer Bettlägerigkeit mit 60 Jahren gestorben ist. Sie möchte auch nicht in ein Heim und grundsätzlich keinem zur Last fallen (Kinder wohnen auch nicht wirklich in der Nähe). Allerdings hat meine Mutter die unrealistische Vorstellung, dass sie nach Holland fährt, nach einer Untersuchung einen Giftcocktail bekommt und sich diesen dann irgendwann zu Hause einverleiben kann. Sie hat mich nun darum gebeten, zu recherchieren, zu wem sie genau fahren muss usw.

Nach meiner Kenntnis gibt es zwar schweizerische Vereine mit eher schlechtem Ruf, die passive Sterbehilfe praktizieren, auch Ableger davon in Deutschland. Ich bin mir hier unsicher, ob es denen nicht hintergründig nur um finanzielle Interessen geht. Weiter befürchte ich, dass dann, wenn ihr Zustand so ist, dass sie den Schritt Richtung Sterbehilfe gehen wollen würde, selbst nicht mehr genug Einsichts- und Willensfähigkeit aufgrund des Fortschreitens der Krankheit hat (im juristischen Sinne), damit Dritte diesem Wunsch entsprechen würden.

Ich möchte ihr trotz der Vergangenheit gern helfen (mit einer Recherche zu diesem Thema) - habt ihr zu diesem Thema Antworten/Hilfen/Ansprechpartner für mich? Gern auch per PN.

Viele Grüße
Stephan


Dr.Lange
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Sterbehilfe

Beitrag: # 33768Beitrag Dr.Lange »

Ein wichtiges Thema, das auch in dieses Forum gehört.
In Holland wird Sterbehilfe auch bei H-Kranken praktiziert. Dort kann man sich sicher bei der Selbsthilfe informieren.
Die Hannoversche DHH-Kontaktperson hat auch persönliche Kenntnisse der Problematik. Anruf lohnt sich.
Man braucht aber keine Organisation, um sein Leben zu beenden. Man kann das Sterbefasten wählen - dazu gibt es gute Anleitungen.
Auch eine ausreichend hohe Dosis Schlaftabletten hat den gewünschten Effekt.
Ganz sicher sollte man eine offene Diskussion mit dem Sterbewilligen führen, oft sind unglückliche Lebensumstände oder eine Depression Ursache der Suizidalität und nicht die HK an sich.
Dr.Lange
Udo
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Beitrag: # 33769Beitrag Udo »

Ich schreibe mal aus meiner Reha

Ich kenne persönlich Huntingtonkranke, die einen Selbstmordversuch durch Sprung aus dem 4 Stock unternommen haben, dies aber durch glückliche Umstände überlebt haben. Und dies auch nachträglich nicht wieder tun würden. Oft kommen diese Gedanken aus einem Affekt heraus. Darum bitte ich, hier nicht Anleitungen zu geben, wie man sich umbringen könnte. Menschen , die gerade in einer kurzfristigen Krise stecken, könnten dies als Anlass sehen, Ihrem vielleicht doch noch lebenswertem Leben unüberlegt und vorschnell einem Ende zu geben.

Gruß, Udo
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rio
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Beitrag: # 33772Beitrag rio »

Auch wenn ich Deinen Standpunkt verstehe, Udo, die Methode, die hier vorgestellt wurde, sollte nun wirklich jedem bekannt sein. Und das sich jemand vor den Zug wirft, kommt bei uns leider auch sehr oft vor - zum Leidwesen der Zugfahrenden, die mal wieder stundenlang in Mitleidenschaft gezogen werden. Soweit aus der Sicht der unbeteiligt Betroffenen.

Ansonsten halte ich mich hier mal raus.
Tschüß Atomstrom, es lebe Ökostrom! Durch Lieferantenwechsel bei Strom und Gas Geld sparen.
Bärbel
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Beitrag: # 33774Beitrag Bärbel »

Habe über dieses Thema gestern Abend mit meinem Gatten gesprochen und er meinte, dass, wenn man genau weiß, dass man unheilbar krank ist und nur noch mit Hilfe von Apparaten und Medikamenten am Leben gehalten wird, diese Sterbehilfe, wirklich Hilfe bedeutet !!! dem Leid / Leben ein Ende zu setzen.

Gestern Abend kam auch ein Bericht darüber im Fernsehen.

Sollte ich irgendwann mal, was ich nicht hoffe, so schwer darnieder liegen und wissen, es gibt keine Heilung mehr, würde ich diesen Weg gehen.

LG Bärbel

P.S.: Bei Tieren erlauben wir uns, sie zu erlösen, wenn sie unheilbar krank sind und darunter leiden,
aber bei Menschen ist das bis jetzt unter Strafe verboten,
das verstehe, wer will, ich nicht.
Zuletzt geändert von Bärbel am 28.08.2014, 02:48, insgesamt 1-mal geändert.
Ein freundliches Wort kostet nichts und ist doch das schönste aller Geschenke.
(Daphne Du Maurier)
Nubia
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lebensende

Beitrag: # 33775Beitrag Nubia »

Ich denke das ist wirklich ein Thema das in dieses Forum gehört.
Mein Mann und ich haben uns auch über dieses Thema unterhalten.wir wissen nicht wie die Krankheit bei meinem Mann endet und ob er sehr leiden muss.
Doch jeder Mensch der schwer erkrankt ist und keine Hoffnung auf Heilung besteht und dieser Mensch sehr leidet sollte das Recht der Selbstbestimmung haben den Freitod zu wählen.
Natürlich müssen Gespräche geführt werden. Die Bedenken die du hast Udo kann ich nachvollziehen aber wenn man ehrlich ist weiß jemand der sich wirklich umbringen will wie man es machen kann.
Internet lässt grüßen.
Ich weiß aus eigener familiäre Erfahrung wovon ich spreche.
Aber nochmal wenn man erlebt hat wie Menschen die man liebt sich wirklich zu Tode quälen und unerträgliche Schmerzen leiden oder drohen durch Krankheit langsam zu ersticken ja dann denke ich das man selbst entscheiden sollte wann man gehen darf.
Und die Liebe die wir für diesen Menschen empfinden sollte uns helfen das zu akzeptieren.
Man sollte los lassen können wenn es am schwersten ist.
Nur in der Liebe sind Einheit und Zweiheit nicht im Widerspruch
Udo
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Re: lebensende

Beitrag: # 33777Beitrag Udo »

Nubia hat geschrieben: Doch jeder Mensch der schwer erkrankt ist und keine Hoffnung auf Heilung besteht und dieser Mensch sehr leidet sollte das Recht der Selbstbestimmung haben den Freitod zu wählen.
Natürlich müssen Gespräche geführt werden. Die Bedenken die du hast Udo kann ich nachvollziehen aber wenn man ehrlich ist weiß jemand der sich wirklich umbringen will wie man es machen kann.
Internet lässt grüßen.
Ich denke auch, das ein unheilbarer Kranker das Recht auf seinen Tod hat, wenn er sich durch Gespräche und Gedanken darüber letztendlich dazu entscheidet.

Nur sollte hier die für die betroffenen sehr schwierige Entscheidung nicht mal eben durch den Tip gelöst werden, das eine Überdosis Schlaftabletten den "gewünschten Effekt" herbeiführen kann.

Womöglich sehen Ärzte dies auch berufsbedingt etwas nüchtern. Deswegen bitte ich, zu dem Thema doch etwas einfühlsamer zu sein.

http://www.tz.de/ratgeber/gesundheit/st ... 11070.html

Gruß, Udo
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Udo
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Beitrag: # 33786Beitrag Udo »

Zugegebenermaßen möchte ich auch nicht im falle einer schweren Krankheit den Rest meines Lebens irgendwo in einem Krankenzimmer , durch Schläuche am leben erhalten , dahinvegetieren. Ob ich auf den Gedanken kommen würde, meinem Leben ein Ende zu geben, weiss ich jetzt allerdings nicht. Bin ja auch gerade erst dem Tod von der Schippe gesprungen. es war mit meiner schweren Legionellenerkrankung wie schon erwähnt, ganz knapp .

Ist wohl auch mit ein Grund, das ich zur Zeit jeglichen Todeswünschen oder Hilfen dazu etwas reserviert gegenüberstehe. Das ist aber eben nur meine persönliche Einstellung. Darum möchte ich, das Dr. Lange meine Antwort auch nicht persönlich nimmt.

Bei der CH sehe ich dem Wunsch, Selbstmord zu begehen, etwas anders, da die Menschen auch bei fortgeschrittener Krankheit lebensfähig sind, die Sonne spüren können, den Wind, im freien sitzen können, wenn auch nur in Spezialstühlen etc. Aber sie leben.
Aber ich habe keine Ch.

Gruß, Udo
Abends geht die Sonne unter, morgens geht sie wieder auf !
Dr.Lange
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Selbstbestimmung bis zuletzt

Beitrag: # 33797Beitrag Dr.Lange »

Eine wirklich eindrucksvolle Diskussion mit wertvollen Beiträgen von allen Beteiligten, auch von Udo. Warnende Worte sind immer angebracht.
Stimmt, ich bin oft in meinen schriftlichen Äußerungen kurz und bündig, aber jeder, der mich aus Gesprächen kennt, weiß, dass da die Ausführlichkeit mein Prinzip ist.
Wichtig ist, dass der Lebensmüde weiß, dass er darüber mit den Personen seines Vertrauens jederzeit offen reden kann - das ist schon eine wirksame Prävention von Kurzschlusshandlungen. Wenn man ihm dann auch noch zu verstehen gibt, dass sein Wille letztendlich der maßgebliche ist, dann wird das auch seine Bereitschaft zum Dialog auch zu diesem Punkt stärken und so eine echte Bilanz ermöglichen.
Dr.Lange
StephanZ
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Danke

Beitrag: # 33824Beitrag StephanZ »

Danke für die hilfreichen Beiträge zu meiner Frage. Ich gebe die Hinweise so gern weiter. Das Fazit von Dr. Lange sagt eigentlich alles:

"Wichtig ist, dass der Lebensmüde weiß, dass er darüber mit den Personen seines Vertrauens jederzeit offen reden kann - das ist schon eine wirksame Prävention von Kurzschlusshandlungen. Wenn man ihm dann auch noch zu verstehen gibt, dass sein Wille letztendlich der maßgebliche ist, dann wird das auch seine Bereitschaft zum Dialog auch zu diesem Punkt stärken und so eine echte Bilanz ermöglichen."

Ich denke, meiner Mutter ist vor allem wichtig, dass ihr Wille berücksichtigt wird. Und hier ist das darüber Sprechen mit Angehörigen schon der erste wichtige Schritt. Insofern finde ich es gut, dass sie sich auch in einem noch frühen Stadium der Krankheit äußert. Wie es letztlich weitergeht, wird man sehen. So weiß ich bspw. auch von einer kleinen Studie an befragten stationären Huntingon-Kranken im Rahmen einer Magisterarbeit, dass diese die Frage, ob es Ihnen gut geht, viel häufiger mit "Ja" beantworten, als man dies als Außenstehender evtl. erwarten würde.

Viele Grüße
Stephan
Dr.Lange
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Wohlbefinden der H-Kranken

Beitrag: # 33828Beitrag Dr.Lange »

ja, es erstaunt auch mich immer noch, wie gut sich H-Kranke fühlen, wenn sie angemessen versorgt sind. 'Mir geht's gut' höre ich dann auch regelmäßig auch von sehr eingeschränkten Kranken.
Das zeigt, wieviel eine gute Fürsorge für die Kranken bringt.
Dr.Lange
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